Ein Journal von Tiefurt gab es schon einmal, nämlich zwischen 1781 und 1784. Insgesamt erschienen 47 Ausgaben dieser im Kreis der Herzogin Anna Amalia (1739 bis 1807) erstellten und auch meist nur dort gelesenen und diskutierten Zeitschrift /1//2/. Die Auflagenhöhe war mit elf handschriftlichen Exemplaren bescheiden. Die Verfasser*innen blieben damals (wohl nur nach außen) anonym, ihre Namen haben aber heute noch unüberhörbaren Klang: Goethe, Herder und Wieland gehörten dazu. Die Anonymität nach außen war wichtig, ist man heute überzeugt. Andernfalls hätten adelige und bürgerliche Autoren, Männer und Frauen kaum gleichrangig am Journal mitarbeiten dürfen.
Für das heutige Tiefurt Journal gelten solche Zwänge natürlich nicht. Die ehrenamtlich arbeitende Redaktion besteht gegenwärtig aus fünf Personen. Alle leben oder arbeiten in Tiefurt. Ihnen gemeinsam ist das Interesse an der Geschichte dieses über 800 Jahre alten Dorfes und an der Mitgestaltung einer lebendigen Gemeinschaft. Eine Autorin hat einen besonderen Bezug zur Tiefurter Geschichte, da ihre Familie dort seit vielen Generationen ansässig ist und sich dabei in vielen Ämtern um das Dorf verdient gemacht hat. Gastautoren kommen hinzu. Die Aufmerksamkeit der Redaktion gilt natürlich auch der zukünftigen Entwicklung Tiefurts, das sich in den vergangenen Jahren durch Zuzug in das Neubaugebiet wesentlich vergrößert und verjüngt hat. Geplante Verkehrsbauten, die für den Tiefurter Park den Verlust des Unesco-Weltkulturerbe-Status zur Folge haben könnten, waren ebenso ein Thema und werden es bei entsprechendem Anlass wieder sein.
Das Tiefurt Journal wird gemeinsam von der Stiftung wohnen plus… und dem Ortsteilrat Tiefurt herausgegeben. Die Druckkosten übernimmt die Stiftung im Rahmen ihrer gemeinnützigen Aufgaben. Das Journal erscheint zwei bis drei Mal im Jahr im Umfang von 12 oder 16 Seiten und einer Druckauflage von 2500 Exemplaren. Alle Tiefurter Haushalte finden es in ihren Briefkästen, Gäste in den Auslagen des Kammergutes und der Tiefurter Gaststätten sowie bei der Weimarer Tourist Information.
Was steht im neuesten Heft (No 31, Dezember 2024)?
Von den fünf Beiträgen sind 3 "politisch". In zweien davon geht es um die positiven Folgen der demokratischen Mitwirkung Tiefurter Bürger seit 1990, zunächst in einem inoffiziellen, frei gewählten Bürgerrat, danach in dem in der Thüringer Gemeindeordnung vorgesehenen Ortschaftsrat. Die frühe Mitwirkung hat bewirkt, dass Tiefurt am Kulturstadtjahr Weimar 1999 prominent beteiligt wurde und heute wieder ein touristisches Ziel geworden ist, in dem seine Bürger gern miteinander leben. Zu diesen Bürgern zählen auch Nachkommen von Flüchtlingen, die nach den beiden Weltkriegen im Ort sesshaft wurden. Ein dritter Artikel handelt von der gelungenen Integration eines im vergangenen Jahrzehnt aus Syrien nach Weimar gekommenen jungen Mannes. Die beiden "unpolitischen" Beiträge haben das Sammeln gemeinsam. Zwei Familien sammeln, allein zur eigenen und ihrer Kinder Freude, kleine Handschmeichler-Figuren, vor allem aus dem mitteldeutschen Kunstgewerbe. Das seit 2010 in Tiefurt im Ruhestand wohnende Ehepaar Kaiser hingegen sammelt auf den ersten Blick Bücher. Die Artikel-Überschrift Schreibort zeigt es jedoch an: diese Bücher sind Arbeitsgrundlage für bereits erschienene eigene Werke von Professor Kaiser (auch zu Tiefurt als Ort der Literatur) und weitere Bücher, die beide Eheleute noch gemeinsam herausbringen wollen.
Hier finden Sie die bisherigen Ausgaben zum Download:
/1/ Jutta Heinz, Jochen Golz (Herausgeber): „Es ward als ein Wochenblatt zum Scherze angefangen“ (Das Journal von Tiefurt). Wallstein Verlag, Göttingen 2011.
/2/ Dietmar Bittrich: "Wochenblatt für Sommertage", ZeitOnline 1981,2012 (www.zeit.de/1981/35/wochenblatt-fuer-sommertage/